
Ein Jahr Genderverbot - Nichts als Symbolpolitik?
Ein Jahr nach Inkrafttreten des umstrittenen Genderverbots in Bayern sind die heftigen Proteste dagegen ebenso verpufft wie große Konsequenzen der Regelung ausgeblieben. An den Verwaltungsgerichten im Freistaat sind beispielsweise keinerlei Verfahren im Zusammenhang damit anhängig, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) der Deutschen Presse-Agentur mitteilt.
GEW: «Wahlkampfrhetorik der CSU»
Kritik gibt es dennoch weiterhin: Grüne und SPD nennen die Neuregelung der Staatsregierung reine Symbolpolitik. «Aus Sicht der GEW Bayern macht sich das sogenannte Genderverbot in der Praxis kaum bemerkbar und bleibt das, was es ist: Wahlkampfrhetorik der CSU», sagt Sebastian Jung, Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bayern, und spricht von «plumpen Verboten».
Zum 1. April 2024 war das Genderverbot in Bayern in Kraft getreten, das die Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern auf den Weg gebracht hatte. In Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung geschlechtersensibler Gendersprache seither ausdrücklich verboten.
In der Allgemeinen Geschäftsordnung (AGO) für die Behörden des Freistaates Bayern heißt es jetzt: «Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig.» Dagegen hatte es heftige Proteste gegeben – große Verstöße bayerischer Beamter wurden aber bislang nicht bekannt.
Gab es Verstöße von bayerischen Beamten?
Die Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde führte bislang in diesem Zusammenhang keine Disziplinarverfahren, wie ein Sprecher auf Anfrage sagt. Das Kultusministerium meldet ebenso keine außergewöhnlichen Vorkommnisse: «Seit dem vergangenen Jahr haben sich jedoch keine besonderen Auswirkungen an den bayerischen Schulen gezeigt», teilt eine Sprecherin mit. Aus dem Innenministerium heißt es immerhin, die Regelung habe «die zugehörige Diskussion zumindest für den Bereich der schriftlichen Kommunikation der Staatsverwaltung bis dato entsprechend befriedet».
SPD kritisiert: «übergriffig und vor allem Symbolpolitik»
Das Fazit der SPD fällt kritischer aus: «Auch ein Jahr nach Erlass bleibt das Genderverbot von CSU und FW übergriffig und vor allem Symbolpolitik», sagt die frauenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Simone Strohmayr.
Und da ist sie nicht die Einzige, die das so sieht: Schon vor der Änderung habe es seines Wissens nach weder für die Verwendung noch für die Vermeidung von gendersensibler Sprache an Universitäten Konsequenzen gegeben, sagt ein Münchner Soziologe, der nicht namentlich genannt werden möchte.
Soziologe: Auswirkungen minimal, eher symbolischer Art
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe das nur «ohne Belege angeführt damals». Das Fazit des Soziologen für die Hochschulen: «Die Auswirkungen waren also minimal bis gar nicht vorhanden und eher symbolischer Art.» Allerdings seien «Institutionen, die davor noch vereinzelt versuchten, mehr als ein Geschlecht abzubilden in ihrer Außenkommunikation, vermehrt zurück auf generische Maskulina gegangen». Außerdem «hört man von institutsinterner Abwertung von Gleichstellungsarbeit, aber nur vereinzelt».
Diskriminierung und «bedauerliche» Nebeneffekte?
Kritik kommt auch vom Bayerischen Landesstudierendenrat. «Wir kritisieren weiterhin, dass bislang ungeklärt ist, wie Personen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, in der offiziellen Kommunikation respektvoll und angemessen angesprochen werden sollen. Diese Diskriminierung erachten wir nach wie vor als untragbar», teilt das Sekretariat mit.
Auch die Gewerkschaft GEW sieht nach Angaben von Gewerkschaftssekretär Jung viele «bedauerliche» Nebeneffekte: «Eine mögliche Marginalisierung unterschiedlicher Gruppen in unserer Gesellschaft durch den Versuch, sie nicht mehr in Sprache abzubilden.»
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, sagt: «Markus Söder hat Behörden und Wissenschaftsbetrieb in Chaos und Sorge gestürzt, um in Trump-Manier ein paar Geländegewinne zu machen – wieder ein bisschen mehr Desinformation, etwas Frauen- und Queerbashing und wieder einen Spaltkeil mehr rein in die Gesellschaft.»
Quelle: dpa