Die Droge wird in allen Bevölkerungsschichten konsumiert, sagen Experten. In Bayern ist Zahl der Crystal-Fälle im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 14,4 Prozent zurückgegangen, wie aus der Kriminalitätsstatistik des Innenministeriums hervorgeht. Ein langfristiger Trend lässt sich daraus jedoch nicht zwangsläufig ableiten. In Tschechien, von wo ein großer Teil der Drogen nach Deutschland geschmuggelt wird, ist der Rückgang minimal. Jakub Frydrych, Tschechiens ranghöchster Drogenfahnder, spricht von vernachlässigbaren 0,1 Prozent.
2016 registrierten bayerische Fahnder 2441 Delikte, im Vorjahr waren es noch 2851 Fälle. Trotz des Rückganges bewegten sich die Zahlen auf einem hohen Niveau, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Veröffentlichung der Zahlen betont hatte. Das bestätigte einige Wochen später der Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung: 321 Menschen starben 2016 in Bayern an den Folgen von Drogen – sieben mehr als 2015 und im bundesweiten Vergleich die meisten Menschen.
Im Kampf gegen das gefährliche Methamphetamin Crystal setzt das bayerische Innenministerium auf die Zusammenarbeit mit Zoll, Bundespolizei, Justiz und den tschechischen Polizeibehörden. So sollen Drogenlabore, Händlerringe und Schmugglerrouten im Grenzgebiet aufgedeckt werden.
Der bayernweite Trend bestätigt sich beispielsweise in Oberfranken. Die Zahl der Delikte mit Crystal ging 2016 um gut 20 Prozent zurück im Vergleich zum Vorjahr, wie die Polizei mitteilte. Die Fahnder stellten 2,3 Kilogramm der Droge sicher, was einem Rückgang von knapp 40 Prozent entspricht. Delikte mit Haschisch stiegen um 55 Prozent. Denselben Trend stellte die Polizei in Niederbayern fest. Crystal-Delikte gingen gar um gut 37 Prozent zurück, wohingegen die Drogenverstöße allgemein um 22 Prozent zunahmen.
Gerade im deutsch-tschechischen Grenzgebiet seien die Banden des organisierten Verbrechens sehr aktiv, sagt Frydrych. «Sie produzieren im großen Stil Pervitin, meist Dutzende Kilogramm in einem Herstellungszyklus», sagt der Polizeibeamte. Der Großteil davon sei für den Export nach Westeuropa bestimmt.
Welche dramatische Folgen der Drogenschmuggel haben kann, zeigt ein Fall aus dem vergangenen Herbst: Damals starb ein 37-Jähriger beim Versuch, Drogen im Körper zu schmuggeln. Der Mann hatte mit einem Komplizen in Tschechien 80 Gramm Crystal gekauft. Um diese zurück nach Bamberg zu bringen, verpackten sie die Droge in kleinen Portionen in Kunststoffbeuteln und verschluckten sie. Offenbar war mindestens eines der Päckchen undicht: Bei einem Treffen mit Bekannten am Abend kollabierte der 37-Jährige. Er starb kurz darauf.
Tendenziell sieht Frydrych jedoch eine Abkehr vom «Drogentourismus», bei dem geringe Mengen über die Grenze geschmuggelt werden, hin zu klassischen Drogenkurieren, die auf einen Schlag größere Pakete transportieren.
Die Schleierfahndung, also die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle, findet in Tschechien keine Anwendung. «Die Schleierfahndung hat ihre Bedeutung bei der Enthüllung des gewöhnlichen grenzüberschreitenden Drogenschmuggels in kleinen Mengen, bei umfangreicheren Operationen werden effektivere Mittel der internationalen Polizei- und Justizzusammenarbeit eingesetzt», sagt Frydrych. Sehr erfolgreich seien gemeinsame Ermittlungsteams.
Zuletzt sind Frydrych und seinen Kollegen einige größere Fische ins Netz gegangen. Im Jahr 2016 wurden sechs kriminelle Organisationen zerschlagen, die sich auf den Export nach Westeuropa konzentriert hatten. «Ohne Ausnahme handelt es sich um kriminelle Gruppen mit vietnamesischem Hintergrund», sagt Frydrych. Vor drei Jahren wurde deshalb ein Abkommen unterzeichnet, das regelmäßige Arbeitsaufenthalte vietnamesischer Polizisten in Prag vorsieht – denn ein großes Problem ist die Sprachbarriere.
Crystal führt zu schwerer Abhängigkeit und raschem körperlichen Verfall. Jörg Pietsch, Leiter des Arbeitsstabes der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, sprach jüngst bei einer Tagung in Prag von einer ernstzunehmenden Herausforderung. «Der Schwerpunkt des Konsums liegt in Deutschland tatsächlich in den Grenzregionen zu Tschechien», sagte er.