Für Giftanschläge mit manipulierten Getränkeflaschen in Münchner Supermärkten machen die Ermittler eine 56-Jährige verantwortlich. Ihre DNA sei an Flaschen gefunden worden und eine Bezahlung mit EC-Karte belege, dass sie in einem der Geschäfte einkaufen war, sagte Josef Wimmer, Leiter des Kriminalkommissariats 11 der Münchner Polizei, am Samstag. Weil die Frau eine massive psychische Erkrankung habe und laut einem Gutachter ohne Behandlung gefährlich bleibe, kam sie zunächst in eine Psychiatrie, sagte Staatsanwalt Laurent Lafleur. Weil sie heimtückisch vorging und mit dem Tod der Menschen rechnen musste, werfen die Ermittler der Frau unter anderem vierfachen versuchten Mord vor.
Ihr Motiv ist unklar. „Sie will keine Angaben machen beziehungsweise die Angaben, die sie macht, sind nicht nachvollziehbar“, so Wimmer. Die Verdächtige ist den Angaben schon früher unter anderem wegen Hakenkreuz-Schmierereien aufgefallen. Lafleur sagte, auch die aktuellen Taten würden auf diesen „etwas verstörenden Hintergrund“ untersucht. Die Ermittler gingen aber derzeit nicht davon aus, dass sie einen rechtsgerichteten Hintergrund hätten.
Alle bisherigen Verfahren wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber eingestellt, weil jeweils davon ausgegangen wurde, dass die Münchnerin wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht schuldfähig ist. Zudem steht die Frau unter Verdacht, in diesem Jahr Brände unter anderem an einer katholischen Kirche in München und einer Selbsthilfeeinrichtung der Stadt gelegt zu haben. Einmal soll sie dabei auch einen Hähnchenschenkel platziert haben, sagte Wimmer.
Im März und April waren vier manipulierte Flaschen in zwei Münchner Supermärkten aufgetaucht. Drei Kunden hatten die vergifteten Flaschen gekauft und daraus getrunken. Zwei Frauen im Alter von 34 und 42 Jahren mussten laut Polizei sofort medizinisch behandelt werden. Auch einem 48-jährigen Kunden soll es nach dem Verzehr schlecht gegangen sein. Die in die Flaschen gefüllte Giftmenge habe um ein Vielfaches die tödliche Dosis überschritten, erklärte Lafleur.
Weitere Angaben zu dem Gift machten die Ermittler nicht, um Nachahmungstaten zu vermeiden. Es könnte auch sein, dass es sich um zwei Substanzen handele. Eine davon verursache einen bitteren Geschmack, so dass die Menschen sofort ausgespuckt hätten.
Die Frau soll die Erfrischungsgetränke außerhalb der Läden vergiftet und beim Einkaufen wieder zurück ins Regal gestellt haben. In ihrer Wohnung habe man bei einer Durchsuchung am Freitagabend keine der Stoffe gefunden, aber unter anderem viele Flaschen und einen ausgeschnittenen Zeitungsartikel über den Fall. Die 56-Jährige habe aber bislang keine Angaben beispielsweise dazu gemacht, ob noch weitere vergiftete Produkte im Umlauf sind, sagte Wimmer.
Nach derzeitigem Stand seien allerdings keine weiteren manipulierten Flaschen aufgetaucht. Es seien 40 Geschäfte kontrolliert worden, in denen die Verdächtige eingekauft haben soll. Die Warnung werde deshalb zurückgezogen. Kunden sollten aber darauf achten, ob der Ring am Flaschendeckel intakt sei und ob es einen auffälligen Geschmack oder Geruch gebe, sagte Wimmer. Auch gebe es keine Hinweise auf Komplizen. Er sprach von einer „sozial isolierteren Frau“.
Schwierig sei es für die Ermittler gewesen, dass es keinen Drohbrief, keine Erpressung oder ähnliches wie bei anderen Lebensmittel-Vergiftungen gegeben habe. Auch seien die betroffenen Supermarktketten und Getränkehersteller unterschiedlich gewesen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann erklärte: „Ich bin überaus erleichtert über die heutige Festnahme. Die vergifteten Getränkeflaschen haben Kunden und Supermarktbetreiber gleichermaßen in Angst und Schrecken versetzt.“