Die U-Bahn-Modernisierung erreicht eine neue Dimension: Die Stadtwerke München (SWM) erneuern ab März 2017 einen der wichtigsten U- Bahnhöfe im Netz der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) – die U- Bahnstation Sendlinger Tor. Bereits am 27. Februar war der Spatenstich zum Beginn der Baumaßnahmen.
Erstmals wird ein derart komplexer Knotenpunkt wie der U-Bahnhof Sendlinger Tor mit zwei Bahnsteigebenen und Sperrengeschoss unter laufendem Betrieb komplett saniert, modernisiert, umgestaltet, barrierefrei ausgebaut, brandschutztechnisch ertüchtigt sowie erweitert.
Die Steigerung der Leistungsfähigkeit des teilweise über 45 Jahre alten Bauwerks steht bei dem Umbau im Mittelpunkt. Innerhalb von sechs Jahren soll bis 2022 ein Zukunftsbahnhof entstehen. Die ersten sichtbaren Vorbereitungen für die im März beginnenden Hauptbaumaßnahmen laufen in diesen Tagen an. Die Kosten werden auf ca. 150 Millionen Euro taxiert.
Ausgangspunkt für die Erneuerung war – neben der Kapazitätsfrage – vor allem der Bauwerkszustand. Eindringende Chloride haben sich über die vergangenen Jahrzehnte in den Beton „gefressen“ und die Bauwerkshülle, insbesondere im Bereich der Bauwerksfugen und Zugänge, in Mitleidenschaft gezogen. Zusätzlich ist die gesamte technische Ausstattung erneuerungsbedürftig. An einer umfangreichen Sanierung führt kein Weg vorbei.
Ingo Wortmann, SWM Geschäftsführer Verkehr und MVG-Chef: „Mit dem Umbau des U-Bahnhofs Sendlinger Tor setzen wir die Erneuerung unseres inzwischen bis zu 50 Jahre alten Netzes planmäßig fort. Wir werden Schäden am Bauwerk beseitigen, die Leistungsfähigkeit und damit auch die Sicherheit erhöhen und die Bauzeit dafür nutzen, das abgenutzte Erscheinungsbild zu modernisieren. Wie das funktioniert, haben unser Fachleute in den Bahnhöfen Münchner Freiheit, Hauptbahnhof und Marienplatz bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. Allerdings gehen wir mit dem Bahnhof Sendlinger Tor nun das bisher komplexeste und bedeutsamste Projekt an. Erstmals sind hier auch zwei übereinanderliegende Bahnsteigebenen betroffen. Das wird nicht ohne Einschränkungen zu schaffen sein. Unsere Fachleute haben jedoch eine ausgefeilte Planung aufgesetzt, mit der der U-Bahnbetrieb zu jeder Zeit aufrechterhalten werden kann. Wir werden dabei auch weiterhin großen Wert auf eine rechtzeitige und transparente Information der Öffentlichkeit legen.“
Der U-Bahnhof Sendlinger Tor ist im Zuge der seit vielen Jahren steigenden Fahrgastzahlen zu einer Engstelle im MVG-Netz geworden. Insbesondere beim Umsteigen zwischen den Bahnsteigebenen (unten U1/U2, darüber U3/U6) entstehen Rückstaus und Wartezeiten. Der Platzmangel wird teilweise verursacht, teilweise verstärkt dadurch, dass sich die Fahrgastströme insbesondere im Zulauf zu den zentral gelegenen Treppenanlagen überschneiden und gegenseitig behindern. Ausweichmöglichkeiten gibt es nicht. Nachdem eine Erweiterung des Bahnhofs aus Platzgründen (direkt angrenzende Nachbarbebauung) nicht möglich ist, musste eine andere Lösung zur Beseitigung der bestehenden Engpässe gefunden werden. Geplant sind folgende Umbauten:
1. Der Bypass: Auf Ebene der U1/U2 wird mehr Platz für die Fahrgäste geschaffen, indem die Betriebsräume im Verbindungsgang zwischen den beiden Bahnsteigröhren auf ein Minimum zurückgebaut werden. Der neue Bypass bewirkt in Kombination mit dem geplanten Umbau der zentralen Treppenanlage (siehe nächster Punkt) auch eine Entzerrung der Fahrgastströme.
2. Der Treppen-Dreh: Herzstück der Entlastungsmaßnahmen ist der Umbau des zentralen Umsteigebereichs zwischen U1/U2 und U3/U6. Die dort vorhandenen Treppen werden neu angeordnet und erweitert, so dass sich die Fahrgastströme besser auf die verschiedenen Treppen verteilen und damit Staus und Querungen auf beiden Bahnsteigebenen weitgehend vermieden werden.
3. Neue Erweiterungsbauwerke: Zwei neue Erweiterungsbauwerke zwischen den beiden Röhren der U1/U2, die als zusätzliche Ausgänge dienen, werden für weitere Entlastung sorgen. Über den Neubau am Nordende der Bahnsteigröhren können Fahrgäste von beiden U1/U2-Bahnsteigen künftig das Sperrengeschoss an der Sonnenstraße erreichen, ohne den Zentralbereich durchqueren zu müssen. Wer das neue Erweiterungsbauwerk am Südende der Bahnsteigröhren nutzt, gelangt direkt an die Oberfläche (Blumenstraße/Ecke Wallstraße). Beide Erweiterungsbauwerke – Sonnenstraße und Blumenstraße – umfassen auch Betriebs- und Technikräume.
Flankierend werden außerdem folgende Verbesserungen realisiert:
Neben den neuen Aufzügen und Rolltreppen verbessert sich die barrierefreie Erschließung der U-Bahnstation auch durch folgende Maßnahmen:
Wesentlicher Teil der Gesamtmaßnahme ist auch die vollständige Neugestaltung und Aufwertung des Erscheinungsbildes in allen drei Ebenen – ähnlich wie zuletzt in den U-Bahnhöfen Hauptbahnhof und Marienplatz (dort nur in den Sperrengeschossen). Der Bedarf ist unübersehbar: Der Bahnhof ist in die Jahre gekommen. Er wirkt an vielen Stellen unfreundlich, abgenutzt und unübersichtlich. Um die Station gestalterisch wieder auf Vordermann zu bringen, greifen die SWM auf den Siegerentwurf des 2012/2013 durchgeführten Gestaltungswettbewerbs zurück.
Die neue Optik knüpft an die vertraute Gestaltung mit prägnanter Farbgebung auf den Bahnsteigebenen an (Gelb und Blau) und entwickelt diese als raumbildendes Element weiter. Zentrales Kennzeichen im Sperrengeschoss mit seiner künftig schwarz gestalteten Decke wird ein klar definierter Hallenraum mit gut zu findenden ÖPNV-Zugängen und attraktiven Ladengeschäften sein. Eine wesentliche Rolle spielt das neue Beleuchtungskonzept auf LED-Basis. Die moderne Farb- und Lichtgestaltung wird in Kombination mit der „aufgeräumten“ Raumgestaltung für mehr Übersichtlichkeit, Orientierung und Sicherheit sorgen und die Aufenthaltsqualität verbessern. Neu gestaltet werden insgesamt knapp 5.000 qm Wände (ca. 4.100 qm Emaille, ca. 750 qm Naturstein), ca. 7.100 qm Decke (Emaille) und ca. 7.500 qm Boden inkl. Treppen (Naturstein).
Obgleich an der Oberfläche und im bestehenden U-Bahnhof umfangreiche Arbeiten erfolgen, werden sich die Einschränkungen dank ausgefeilter Planung in engen Grenzen halten. So können an der Oberfläche fast alle Verkehrsbeziehungen aufrechterhalten werden; eine besondere Umleitung des Individualverkehrs macht dies möglich.
Auch im U-Bahnhof wurde bei der Planung Wert darauf gelegt, dass der Betrieb möglichst uneingeschränkt weiterlaufen kann: Der Umbau erfolgt umlaufend mit kleinen Wanderbaustellen, so dass zu jeder Zeit ausreichend Flächen und Treppen für die Fahrgäste zur Verfügung stehen und der U-Bahnbetrieb nur in Randzeiten oder am Wochenende eingeschränkt werden muss.
Seit 2015 haben wesentliche Vorabmaßnahmen stattgefunden, um die nun benötigten Baufelder zur Herstellung der Erweiterungsbauwerke Sonnenstraße (Nordwest-Ecke des Sendlinger-Tor-Platzes) sowie Blumenstraße (Wallstraße, hinter der Kreissparkasse) freizumachen. Dazu wurden vor allem Kabel, Leitungen und Kanäle verlegt. Der Weg ist nun frei für den Beginn der Hauptbaumaßnahmen.
Bevor die Bagger kommen, muss die Baustelle eingerichtet werden. Sichtbar sind vor allem folgende Aktivitäten:
Die Verlegung der Sonnenstraße ist notwendig, weil die Baugrube für die Herstellung des Erweiterungsbauwerks Sonnenstraße entsprechenden Platz benötigt. Dies tangiert vor allem den Autoverkehr, der vom Karlsplatz (Stachus) kommt. Dieser wird ab Montag, 10. April für ca. zwei Jahre über die Zufahrt zur Nußbaum- und Pettenkoferstraße und die westliche Platzfläche zwischen dem Brunnen und der Matthäuskirche umgeleitet. Zu diesem Zweck wird der Bereich zwischen Brunnen und Kirche in den nächsten Tagen asphaltiert und damit zu einer provisorischen Fahrbahn umgebaut.
Zusätzlich ergeben sich für den Autoverkehr 2017 und in ähnlicher Form auch im Jahr 2018 folgende Änderungen:
Die Wegebeziehungen für Radfahrer und Fußgänger werden aufrechterhalten bzw. analog zur Straßenführung provisorisch verlegt.
Bereits im März werden am Sendlinger-Tor-Platz die ersten Tiefbauarbeiten zur Vorbereitung der dortigen Baugrube beginnen, bevor das Baufeld an der Sonnenstraße nach der Verkehrsumlegung zum 10. April (siehe oben) komplett bearbeitet werden kann. Das Baufeld zur Herstellung des Erweiterungsbauwerks Sonnenstraße ist auch die Ursache dafür, dass der dort bestehende U-Bahn-Zugang in Richtung Sonnenstraße (Festtreppe) vorübergehend geschlossen werden muss (die gegenüberliegenden Treppen Richtung Sendlinger Tor bleiben geöffnet). An der Blumenstraße sollen die Bauarbeiten bereits Ende Februar starten.
Die beiden Erweiterungsbauwerke, die die Bahnsteige der U1/U2 an deren Enden miteinander verbinden und neue Aufgänge schaffen, werden überwiegend in der so genannten Bohrpfahlde- ckelbauweise und zum Teil in offener Bauweise hergestellt. Das bedeutet, dass der Umriss der späteren Bauwerke zunächst mit Bohrpfählen umrandet wird. Dazu werden als erstes sog. Bohr- rohre in den Baugrund eingedreht, bei gleichzeitigem Ausbohren des Erdreiches. Nach Erreichen der Endtiefe (max. 30 Meter) erfolgt das Einbringen von Beton in die Verrohrung zur Herstellung der Wände. Danach wird in Teilen der Deckel (spätere Abschlussdecke des Bauwerks) herge- stellt. Anschließend kann unter dem Deckel und innerhalb der Bohrpfahlwand der Boden ausge- hoben werden. Um die Bohrpfahlwände für die Dauer der Aushubarbeiten zu stabilisieren, erfolgt eine Rückverankerung im umgebenden Boden. Dazu werden insgesamt ca. 130 Verpressanker mit einer Gesamtlänge von ca. 3.000 Metern hergestellt. Die maximale Vorspannkraft eines An- kers entspricht dem 60-fachen Gewicht eines handelsüblichen Mittelklassenwagens. Die Bohr- pfahlwände haben eine Fläche von insgesamt 6.750 qm, was in etwa einem Fußballfeld entspricht). Der Bodenaushub umfasst 12.000 m3 (Sonnenstraße) bzw. 15.000 m3 (Blumenstraße).
2017 finden parallel zur Herstellung der Baugruben für die beiden Erweiterungs- bauwerke außerdem folgende Arbeiten im U-Bahnhof statt:
Auf den beiden Bahnsteigen der U1/U2 beginnt der Umbau ebenfalls bereits heu- er. Geplant sind dort vor allem folgende Arbeiten:
Während dieser Arbeiten im bzw. am Gleisbereich kann der Zugverkehr auf den U-Bahnlinien U1 und U2 am Sendlinger Tor zeitweise nur eingleisig abgewickelt werden. Dies wird auf den Fahrplan – vorbehaltlich Zustimmung der Genehmigungsbehörde – voraussichtlich folgende Auswirkungen haben:
Parallel zur Modernisierung des U-Bahnhofs werden außerdem die Tramgleise am Sendlinger Tor erneuert. Die Wendeschleife steht von Montag, 10. April (Beginn Osterferien) bis Mitte Juni zur Erneuerung an, anschließend bis zum Ende der Sommerferien die Gleisanlage im Bereich der Haltestelle.
Im nächsten Jahr geht es an den Rohbau der Erweiterungsbauwerke. Ferner werden die beiden Neubauten an die bestehenden U1/U2-Röhren angeschlossen.
Oberfläche
Sperrengeschoss
Ebene U3/U6
Ebene U1/U2
Die größte Herausforderung beim Bau der Erweiterungsbauwerke besteht darin, in knapp 20 Metern Tiefe den Anschluss der Neubauten an die bestehenden U-Bahnröhren zu bewerkstelligen. Dies wird – wie etwa bei der Erweiterung des U-Bahnhofs Marienplatz vor einigen Jahren – bergmännisch im Schutze einer Vereisung des Baugrunds geschehen. Die Baugrundvereisung ist ein Bauverfahren im Tiefbau, bei dem das im Baugrund befindliche Porenwasser durch den kontinuierlichen Entzug von Wärmeenergie so weit abgekühlt, dass dieses gefriert. Der gefrorene Baugrund wird dadurch verfestigt und wasserundurchlässig. Der Vorteil des Verfahrens liegt im hohen Sicherheitsniveau aufgrund der absoluten Dichtigkeit des Frostkörpers. Die Ausdehnung des Frostkörpers wird messtechnisch mittels Temperaturfühlern zuverlässig überwacht. Der Gefrierprozess erfolgt mit Hilfe von flüssigem Stickstoff mit -196°C, der in so genannten Vereisungslanzen verdampft und an das Erdreich abgegeben wird. Dadurch entstehen um die Gefrierrohre zylinderförmige Frostkörper, die sich mit den Gefrierkörpern der benachbarten Gefrierrohre verbinden. Insgesamt werden zum Anschluss der beiden neuen Erweiterungsbauwerke vier Durchbrüche mit etwa 2.000 Meter Gefrier- und Temperaturmessbohrungen und einem Frostkörpervolumen von 1.200 m3 gefrorenem Boden hergestellt. Dazu sind ca. 4.000 Tonnen flüssiger Stickstoff erforderlich.
In den Jahren 2019 und 2020 sind folgende Meilensteine geplant:
Die größten Einschränkungen für die Fahrgäste der U-Bahn sind ab Ende 2019 zu erwarten. Dann wird die gesamte Treppenanlage für den Umstieg zwischen U1/U2 und U3/U6 sukzessive umge- baut. Je nachdem, welche Treppe gerade aus-, um- oder neu eingebaut wird, müssen Fahrgäste mitunter längere Umwege in Kauf nehmen. Beispiel: Umsteiger, die mit der U1/U2 ankommen und ein Stockwerk nach oben zu den Linien U3/U6 wechseln möchten, werden dann über das neue Erweiterungsbauwerk Sonnenstraße und das Sperrengeschoss zum Bahnsteig der U3/U6 geleitet. Der direkte Weg über die zentrale Treppenanlage steht wegen des Umbaus nicht zur Verfügung.
2021 und 2022 geht der Umbau in den Endspurt. Geplant sind unter anderem folgende Schritte:
Die MVG plant, am Sendlinger Tor einen MVG Infocontainer aufzustellen. Dort können sich alle Interessierten während der Bauzeit aus erster Hand über den Umbau informieren. Die Eröffnung ist im April vorgesehen.
Aktuelle Infos zur Modernisierung des U-Bahnhofs Sendlinger Tor finden Sie im Internet unter: www.mvg.de/sendlinger-tor