Unmittelbar nach seiner Wahl zum neuen bayerischen Ministerpräsidenten hat der Franke Markus Söder (CSU) seinen hundertprozentigen Einsatz für den Freistaat versprochen. Söder dankte am Freitag für den «großartigen Vertrauensvorschuss». Er wisse aber, dass er dieses Vertrauen erst durch harten Einsatz und Engagement rechtfertigen müsse. «Es ist mir eine Ehre, diesem Land und den Menschen dienen zu können.» Sein Motto werde sein: «Machen und Kümmern.» Söder dankte dem zurückgetretenen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) für dessen Verdienste. Er hoffe sehr auf ein gutes Miteinander, zum Wohle der Menschen in Bayern, betonte er.
Von Marco Hadem, dpa
Am diesem Freitag wird Markus Söder bayerische Geschichte schreiben: Wenn der 51-jährige Franke im Landtag in München zum Ministerpräsidenten gewählt wird, ist er der jüngste Regierungschef in der Geschichte des Freistaates. Er löst damit niemand geringeren ab als sein Vorbild Edmund Stoiber, der 1993 bei seiner Wahl 52 Jahre alt war. Sein zweites CSU-Vorbild, Franz Josef Strauß, hing übrigens als Poster über Söders Jugendbett.
Es ist ein Randaspekt, zweifelsohne – aber es illustriert sehr gut, was derzeit in der CSU passiert. Denn mit Söder hat sich die Landtagsfraktion einen Nachfolger für den ihr am Ende fremd gewordenen Horst Seehofer auserkoren, der viele Parallelen zu Stoiber hat: Auch er soll einen neuen Politikstil etablieren, die absolute Mehrheit verteidigen und damit die CSU in einer sich wandelnden Parteienlandschaft mit der rechtskonservativen AfD behaupten. Aber wer ist eigentlich dieser Markus Söder? Der Versuch einer Annäherung.
Markus Söder genießt schon lange bundesweite Bekanntheit – und dies nicht nur in Talkshows und nicht erst, seit er einen eigenen Wechsel nach Berlin ausschlug. Seit 1983 ist der Jurist CSU-Mitglied, von 1995 bis 2003 war er Chef der Jungen Union Bayern. Seit 1994 ist er Landtagsabgeordneter, seit 1995 Teil des Präsidiums, von 2003 bis 2007 war er Generalsekretär unter Stoiber («mein Mentor und eine politische Vaterfigur»), seit elf Jahren im Kabinett – erst zuständig für Europapolitik, dann für Umwelt, seit 2011 für Finanzen und seit 2013 zusätzlich noch für Landesentwicklung und Heimat.
Durch markige Aussagen hat sich der vierfache Vater und bekennende Anhänger des Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg über die Jahre das Image des Hardliners erworben. Kritiker sehen ihn daher als Populisten, Scharfmacher, Provokateur und Rechtsaußen. «Diese Kritik muss man wegstecken können. Wer mich kennt, weiß, dass mich diese Beschreibungen nicht richtig charakterisieren», sagt Söder dazu.
Mit CSU-Chef Seehofer verbindet Söder eine lange gemeinsame Wegstrecke, die sich beide nach eigenen Worten gegenseitig nicht leicht gemacht haben. Immer wieder sind die beiden Alphatiere in den vergangenen Jahren aneinandergeraten, inhaltlich wie persönlich. Vor Jahren warf Seehofer Söder «charakterliche Schwächen», einen «pathologischen Ehrgeiz» und «zu viele Schmutzeleien» vor. Das professionelle Verhältnis war jahrelang angespannt, fast immer herrschte eisiges Schweigen, einzig die Machtkonstellationen zwangen die beiden etwa bei der Rettung der BayernLB zur Zusammenarbeit.
Wer Söder seit der für die CSU verheerenden Bundestagswahl erlebt, wird Zeuge einer Metamorphose: Der neue Söder ist leiser. Nicht nur wenn er spricht, sondern auch in dem, was er sagt – verbale Angriffe sucht man vergebens. Mancher in der CSU attestiert ihm schon einen landesväterlichen Duktus. So schweigt Söder während der monatelangen Geduldsprobe bis zu seiner Wahl zum Ministerpräsidenten, schluckt all seinen Ärger über Seehofers in die Länge gezogenen Zeitplan für dessen Wechsel nach Berlin runter. Stattdessen lobt er dessen unfreiwilligen Abgang stoisch gelassen als «souveräne Entscheidung». Niemand soll das Gefühl bekommen, es gehe ihm nur um seine Karriere. Wie Stoiber thematisiert er lieber die Sorgen der «kleinen Leute».
Seit wenigen Wochen ermöglicht Söder zudem Interessierten einen wohl dosierten und durchdachten Einblick in sein Privatleben. Und dies nicht irgendwo, sondern in Kinosälen. Das Kalkül ist klar: Um bei der Landtagswahl überhaupt eine Chance auf die absolute Mehrheit zu haben, darf Söder nicht nur um die zur AfD gewechselten Wähler kämpfen, er muss auch für liberalere Milieus im Land wählbar werden. Getreu dem Motto: Wer Sorge hat, am 14. Oktober sein Kreuz bei einem Hardliner zu machen, kann dies bei einem einst mittelmäßigen Schüler mit Einser-Abitur und Fan von Hunden, Science-Fiction, ausgefallener Faschingsverkleidung sowie bekennenden Christen vielleicht eher.
Für alle Wähler, die nach Inhalten suchen, hat Söder auch einiges parat. Im Januar präsentierte er seine erste Agenda. Darin kündigt er nicht nur einen millionenschweren Kraftakt gegen Wohnungsnot an, im Freistaat soll es bald auch wieder eine Grenzschutzpolizei und für Bayerns Regierungschefs eine Amtszeitbegrenzung geben.
«Ich habe den Willen, was zu verändern», sagt Söder über seine Motivation und präsentiert sich als uneitlen Politiker mit großen Zielen und viel Leidenschaft für Bayern. Wohin ihn die Strategie führen wird, bleibt abzuwarten. Für Seehofer scheint die Verteidigung der absoluten Mehrheit (mit ihm als Parteichef) durchaus möglich: «Vielleicht gelingt uns auch etwas, was in den letzten fünf Monaten nicht so wahrscheinlich war», sagt er und setzt Söder damit – gewollt oder nicht – unter Druck. Der schweigt dazu. Söder weiß aber auch: Wenn ihm das gelingt, könnte auch der CSU-Chefsessel auf ihn warten.
Knapp drei Tage nach dem Rücktritt von Horst Seehofer will der bayerische Landtag heute Markus Söder (beide CSU) zum neuen bayerischen Ministerpräsidenten wählen. An der Sondersitzung wird auch der neue Bundesinnenminister Seehofer in München teilnehmen. «Ich bin morgen im Landtag», sagte er am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur in München. Begleitet wird Söder bei der Wahl von seiner Frau Karin. Die Teilnahme seiner vier, teils noch jungen Kinder ist dagegen nicht geplant.
Nach der Wahl will Söder voraussichtlich am Freitagmittag sein Büro in der Staatskanzlei beziehen. «Bevor gewählt wurde, zieht nichts um, das ist eine Stilfrage», betonte Söder. Im Anschluss sind aber bereits diverse Interviewtermine fest vereinbart. Am Montag will Seehofer dann zur offiziellen Amtsübergabe Söder in der Staatskanzlei besuchen.