Die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus schlägt nach Ansicht des Sozialphilosophen Michael Reder eine neue Richtung in der Kirchengeschichte ein. «Sie setzt das Denken der Kirche radikal auf ein neues Gleis», sagte Professor Reder am Donnerstag in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die katholische Kirche habe das Thema Klimawandel bisher kaum beachtet und auch selber an der Umweltzerstörung mitgewirkt.
Der Papst betone, «dass es nicht nur darum geht, CO2-Reduktionsziele zu vereinbaren», sagte Reder. «Wir brauchen auch einen umfassenden Wandel und müssen über unser Wirtschaftssystem nachdenken, eine neue politische Kultur schaffen, die an den Ärmsten ausgerichtet ist, die von den Klimafolgen am meisten betroffen sind. Die Industrieländer sind hier besonders in der Pflicht.» Dies bedeute unter Umständen auch, ökonomische Einbußen in Kauf zu nehmen.
In der Enzyklika heißt es: «Darum ist die Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinden kann.» Dies bedeutet nach Ansicht Reders nicht, dass der Papst sich für einen generellen Wirtschaftsabschwung ausspreche: «Wir müssen nicht überall einen wirtschaftlichen Rückschritt machen, sondern nur dort, wo der Kapitalismus exzessive Formen annimmt, nur auf Rendite ausgerichtet ist und die Wirtschaft von der Gesellschaft entkoppelt.»
Das päpstliche Lehrschreiben «Laudato si» (Gelobt seist Du) wurde am Donnerstag in Rom vorgestellt. Reder ist Professor für praktische Philosophie mit dem Schwerpunkt Völkerverständigung an der Hochschule für Philosophie in München, die vom Jesuitenorden getragen wird.
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