06.05.2013

NSU-Prozess gestartet - erste Unterbrechungen

06.05.2013, 12:32 Uhr

Zudem stehen vier mutmaßliche Helfer des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) vor Gericht. Es ist einer der bedeutendsten Prozesse in der Geschichte der
Bundesrepublik.
Die Terrorzelle soll zwischen 2000 und 2007 acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine deutsche Polizistin kaltblütig ermordet haben. Zudem wird der NSU für zwei Bombenanschläge und etliche Banküberfälle verantwortlich gemacht.

Das Verfahren wurde bereits kurz nach dem Auftakt für gut 20 Minuten  unterbrochen. Grund ist ein Befangenheitsantrag, den Zschäpes Verteidiger am Wochenende gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gestellt hatten. Dieser bezieht sich auf Götzls Anordnung, dass die Verteidiger vor Betreten des Sitzungssaals etwa auf Waffen durchsucht werden sollen, nicht aber die Vertreter der Bundesanwaltschaft sowie Polizeibeamte und Justizbedienstete.

Bei dem Verfahren herrschen strenge Sicherheitsvorkehrungen und erschwerte Bedingungen für die Berichterstattung. Unter anderem dürfen Journalisten nur in Verhandlungspausen per Computer Material an ihre Redaktionen senden. Der Prozessauftakt war wegen heftigen Streits über die Vergabe der Presseplätze und einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts um fast drei Wochen  verschoben worden.

Zschäpe wurde ohne Handschellen ins Gericht gebracht. Sie hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert und will auch im Prozess schweigen. Von den rund 80 zugelassenen Nebenklägern nahmen 26 am Prozessauftakt teil. Die Nebenkläger werden insgesamt von etwa 60 Anwälten vertreten. Gerichtspräsident Karl Huber zeigte sich «zufrieden» mit dem Prozessauftakt.

 Zschäpe muss sich vor Gericht als Mittäterin bei allen Taten der Terrorzelle verantworten. Ihr droht lebenslange Haft. Die heute 38-Jährige soll den NSU zusammen mit ihren Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gebildet haben. Sie ist die einzige Überlebende – Mundlos und Böhnhardt, die die zehn Menschen erschossen haben sollen, töteten sich im November 2011, um einer Festnahme zu entgehen.

Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben sowie Carsten S. sind wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Sie sollen die Pistole besorgt haben, mit der neun Morde verübt wurden. André E. und Holger G. wird die Unterstützung einer  terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Bislang sind 80 Verhandlungstage angesetzt, zunächst bis Januar 2014. Der Prozess könnte aber bis zu zweieinhalb Jahre dauern.

Zum Prozessauftakt demonstrierten mehrere Gruppen rund um das Gerichtsgebäude gegen Rassismus und rechte Gewalt, unter ihnen Vertreter türkischer Vereinigungen. Zahlreiche Besucher waren bereits am frühen Morgen zum Gericht gekommen, um einen Platz im Saal zu bekommen. Zeitweise gab es vor dem Auftakt kleinere Tumulte. Hunderte Polizeibeamte waren im Einsatz.

Auch fünf Abgeordnete aus der Türkei kamen nach München. «Wir erwarten Gerechtigkeit», sagte der Vorsitzende der Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments, Ayhan Sefer Üstün. «Das ist eine historische Chance für das Gericht.» Der Zentralrat der Muslime hofft, dass durch den Prozess einen Ruck durch Deutschland geht.

Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Angehörigen der NSU-Opfer, Barbara John, forderte Aufklärung. Die Familien der Opfer wollten vor allem wissen, wie die Verbrechen hätten geschehen können. Die Integrationsbeauftragte der  Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), mahnte, das Verfahren müsse mit «großer Gründlichkeit und Akribie» durchgeführt werden, es dürften keine Fehler  passieren.

Der NSU-Prozess ist keine zwei Stunden nach Beginn erneut unterbrochen worden. Die Bundesanwaltschaft will in der Mittagspause eine Stellungnahme zu einem Befangenheitsantrag der Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl vorbereiten. Die Sitzung soll um 13.30 Uhr fortgesetzt werden.

dpa-infocom / uk / Aufmacherfoto: nz

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