12.01.2012

Mord im Gericht: Todesschütze war aggressiv und gereizt

12.01.2012, 16:38 Uhr

Während Gewerkschaften und Strafverteidiger strengere Kontrollen in Gerichtssälen fordern, hält Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) die bestehenden Sicherheitsbestimmungen für ausreichend. «Es herrscht ein breiter Konsens, dass wir aus den Gerichten keine Trutzburgen machen, uns nicht abschotten wollen», sagte sie am Donnerstag. Schon an diesem Freitag (13. Januar) sollen Gespräche mit allen Justizbehörden über mögliche Konsequenzen beginnen.

Der mutmaßliche Mörder des erst 31 Jahre alten Staatsanwaltes musste am Donnerstagnachmittag mit der Eröffnung des Haftbefehls rechnen. Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte bei Gericht Haftbefehl wegen Mordes beantragt. Der 54 Jährige schweigt nach Auskunft von Oberstaatsanwältin Andrea Titz. Er wird psychiatrisch begutachtet. «Wir haben aber bisher keine Hinweise auf psychiatrische Leiden», sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Sie rechnete nicht mit der Einweisung des Transportunternehmers in eine psychiatrische Klinik.

Justizministerin Merk sagte in München, Gerichtsverhandlungen müssten für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Dennoch werde weiterhin intensiv über das Thema Sicherheit diskutiert. Sie verwies auf die Sicherheitskonzepte, die auf jedes Gerichtsgebäude zugeschnitten seien. Dazu gehörten etwa der Einsatz der Wachtmeister, die Zahl der Sicherheitskontrollgänge sowie Meldewege. In einigen Landgerichten gebe es permanente Eingangskontrolle – etwa in München, Augsburg und Würzburg. Bei kritischen Prozessen würden auch an anderen Gerichten die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Lediglich in Nordrhein-Westfalen gebe es an allen Gerichten Einlasskontrollen.

Auch der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz sagte, es sei nicht möglich, eine Gerichtsverhandlung vollständig vor der Öffentlichkeit abzuschotten. «Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können», sagte Strötz im Bayerischen Rundfunk.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft hält generell verstärkte Kontrollen für überzogen. Allerdings brächten schon kleine Maßnahmen wie eine Abgabepflicht für Mäntel, Jacken und Taschen am Eingang mehr Sicherheit, sagte der bayerische Landesvorsitzende Hermann Benker. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hingegen forderte zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auch für Amtsgerichte. «Es wird Zeit, dass endlich auch in den Amtsgerichten Sicherheitsschleusen aufgestellt werden», sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Freitag). In Justizgebäuden setze sich «eine Tendenz zur Verrohung fort, die unsere Polizistinnen und Polizisten in ihrem täglichen Einsatz auf den Straßen erleben müssen».

Auch der an Gerichten in ganz Deutschland tätige Strafverteidiger Harald Baumgärtl forderte strengere Kontrollen in Justizgebäuden. «Es wird viel zu wenig bei uns kontrolliert», sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Baumgärtl forderte ein flächendeckendes Kontrollsystem in allen Gerichtsgebäuden des Freistaats. «Es ist ohne weiteres möglich, dass ein Mensch mit einer Zehn-Kilo-Bombe in ein Gerichtsgebäude kommen kann.» Die Sicherheit in der Justiz dürfe nicht am Geld scheitern. «Auch wir Verteidiger sitzen im Schussfeld.»

Der Todesschütze von Dachau war am Mittwoch unter anderem wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Er sei mit dem Richterspruch nicht einverstanden gewesen, mutmaßte Oberstaatsanwältin Titz zum möglichen Tatmotiv. «Nach unseren Erkenntnissen war es wohl so, dass er aufgebracht war, auch im Umgang mit seiner Verteidigerin.» Während der Urteilsbegründung soll der nach einem Schlaganfall körperlich angeschlagene Mann plötzlich eine kleine Pistole gezogen und mehrere Schüsse – wahrscheinlich fünf – abgefeuert haben. Woher er die Waffe vom Kaliber 6,35 hatte – er besaß sie illegal – ist noch unklar.

«Wir gehen davon aus, dass ein Schuss zumindest in Richtung der Richterbank gegangen ist», sagte Titz zu den Ermittlungen. Zwei Schüsse trafen den 31-jährigen Staatsanwalt. Eine Kugel ging ins Handgelenk und dann in die Hüfte, die zweite drang an der Schulter in den Körper. Der Jurist starb trotz einer Notoperation im Krankenhaus. Seine Leiche sei bereits obduziert, Details dazu wurden aber zunächst nicht bekanntgegeben. Der Staatsanwalt, der erst seit 2011 als Ankläger im Staatsdienst war, lebte in München und hinterlässt seine Ehefrau. Das Paar hatte keine Kinder. «Er hatte ein ausgezeichnetes Examen und war ein hervorragender Kollege», sagte Titz. 

dpa-infocom / Bild: Niels P. Joergensen / ms

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