Bild: Michael Kappeler, dpa
14.10.2018

Landtagswahl: CSU verliert absolute Mehrheit in Bayern - SPD halbiert Ergebnis

Vorläufiges amtliches Endergebnis:


Update 11:05

Der CSU-Vorstand Markus Söder soeben offiziell für das Ministerpräsidenten-Amt nominiert. Die Abstimmung sei einstimmig per Handzeichen erfolgt, verlautete am Rande der Sitzung aus Teilnehmerkreisen.

Ministerpräsident Markus Söder hat im CSU-Vorstand seinen Willen bekräftigt, auch nach der CSU-Wahlpleite als Regierungschef weitermachen zu wollen – und dafür starken Applaus bekommen. Anschließend machte Söder zwei Personalvorschläge, die nach Teilnehmerangaben ebenfalls mit viel Applaus bedacht wurden: Die bisherige Verkehrsministerin Ilse Aigner soll nach dem Willen Söders neue Landtagspräsidentin werden. Fraktionschef soll Thomas Kreuzer bleiben. Formal abgestimmt wurde darüber allerdings zunächst nicht.

Nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit im bayerischen Landtag drückt die CSU bei der Koalitionsbildung aufs Tempo. An diesem Mittwoch soll es Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien geben, und die Koalitionsverhandlungen selbst sollen noch in dieser Woche beginnen. Das kündigte CSU-Chef Horst Seehofer nach Teilnehmerangaben am Montag in einer CSU-Vorstandssitzung in München an. Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder hatten schon vor der Vorstandssitzung gesagt, sie bevorzugten ein Bündnis mit den Freien Wählern.


Politisches Beben in Bayern: Bei der Landtagswahl hat die erfolgsverwöhnte CSU am Sonntag dramatische zweistellige Verluste hinnehmen müssen und ihre absolute Mehrheit verloren. Die Partei von Ministerpräsident Markus Söder und des Vorsitzenden Horst Seehofer fuhr nach den Prognosen ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 ein und schwächt damit auch ihre Position in der großen Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die SPD von Natascha Kohnen brach noch stärker ein als vorhergesagt und verlor mit ihrem historisch schlechtesten Landesergebnis ihre Position als zweitstärkste Kraft. Große Wahlgewinner sind Grüne und AfD mit zweistelligen Ergebnissen. Die AfD zieht erstmals ins Maximilianeum ein und ist jetzt in 15 von 16 Landtagen vertreten. Die FDP musste zunächst bangen, ob sie nach fünf Jahren Abwesenheit die Rückkehr ins Parlament schafft. Die Linke scheitert erneut an der Fünf-Prozent-Hürde.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die CSU nur noch auf 37,2 Prozent. Die SPD halbiert ihr Ergebnis von 2013 und landet bei 9,7 Prozent. Zweitstärkste Kraft werden die Grünen mit 17,5 Prozent – Für sie ein historisches Ergebnis. Drittstärkste Kraft werden die Freien Wähler mit 11,6 Prozent, gefolgt von der AfD, die 10,2 Prozent erzielt. Die FDP schafft mit 5,1 Prozent wieder den Einzug in den Landtag. Die Linke kommt mit 3,2 Prozent abermals nicht ins Parlament.

Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung: CSU 85, SPD 22, Grüne 38, Freie Wähler 27, AfD 22 und FDP 11. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 72,4 Prozent.

Damit muss sich nun die CSU, die Bayern seit 1962 mit Ausnahme der Wahlperiode 2008 bis 2013 allein regiert hat, einen Koalitionspartner suchen. Eine komfortable Mehrheit hätte eine schwarz-grüne Koalition, die Umfragen zufolge auch von vielen Bürgern bevorzugt wird. Söder erklärte aber bereits am Freitag, dass das Programm der Grünen mit ihren Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann «nicht koalitionsfähig» sei. Kaum überbrückbar erscheinende Differenzen gibt es vor allem in Fragen der inneren Sicherheit und der Asylpolitik.

Am wahrscheinlichsten ist im Moment eine Koalition mit den Freien Wähler. Mit 112 Sitzen würde es für eine Mehrheit reichen. Bei einer Dreierkoalition zusammen mit der FDP von Spitzenkandidat Martin Hagen wäre diese sogar noch größer.

Neue Farbe auf der bayerischen Landkarte:

Zum ersten Mal gelingt es den Grünen, der CSU bei der Landtagswahl Direktmandate abzujagen.

Die Grünen haben bei der Landtagswahl sechs Direktmandate geholt – fünf davon in München. Es ist das erste Mal, dass die Partei überhaupt ein Direktmandat in Bayern bekommt. Die beiden Grünen-Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann (40) und Katharina Schulze (33) bekamen nach Angaben des Landeswahlleiters in ihren jeweiligen Stimmkreisen München-Mitte und -Milbertshofen 44 beziehungsweise 34,9 Prozent der Erststimmen.

Auch Christian Hierneis (34,3 Prozent/Schwabing), Gülseren Demirel (30,9 Prozent/Giesing) und Benjamin Adjei (26,2 Prozent/Moosach) holten in ihren Münchner Stimmkreisen die meisten Erststimmen. In Würzburg hatten die Grünen kurz zuvor ihr erstes Direktmandat überhaupt in Bayern geholt. Nach Auszählung des Stimmkreises Würzburg-Stadt kam Patrick Friedl auf 29,93 Prozent der Erststimmen.

Die Stimmkreise in München wurden seit der Landtagswahl 2013 neu aufgeteilt, die Ergebnisse sind daher nicht miteinander vergleichbar.

CSU und SPD mit schlechtem Ergebnis

Der Absturz von CSU und SPD hatte sich seit Wochen in den Umfragen abgezeichnet. Die CSU versuchte eine Doppelstrategie. Einerseits lockte Söder mit milliardenschweren sozialen Leistungen des Landes wie einem Familien- und einem Pflegegeld. Andererseits fuhr die CSU einen harten Kurs in der Asylpolitik. Beides zog nicht. Der von Seehofer losgetretene Streit um die Zurückweisung von Migranten an den deutschen Grenzen, der in einer Rücktrittsandrohung gipfelte, führte zwar fast zum Bruch der Unionsfraktion im Bundestag und der großen Koalition insgesamt. Anschließend ging es für die CSU in den Umfragen aber erst richtig bergab – obwohl Söder das Asylthema in den letzten Wochen vor der Wahl dann aussparte.

Bei der Landtagswahl 2013 hatte die CSU mit 47,7 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit geholt. Sie stellte 101 der 180 Abgeordneten im Landtag. Die SPD war mit 20,6 Prozent (42 Sitze) zweitstärkste Kraft geworden. Dahinter folgten die Freien Wähler mit 9,0 Prozent (19 Sitze) und die Grünen mit 8,6 Prozent (18 Sitze). Nach dem Austritt von Abgeordneten aus ihren Fraktionen hatten Freie Wähler und Grüne zuletzt noch jeweils 17 Mandate. Die FDP war 2013 mit 3,3 Prozent ebenso an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert wie die Linke mit 2,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag seinerzeit bei 63,6 Prozent.

Zur Wahl aufgerufen waren jetzt rund 9,5 Millionen Bürger, darunter 600.000 Erstwähler. Um die Mandate bewarben sich insgesamt 1923 Kandidaten aus 18 Parteien und Wählergruppen.

Bestimmende Themen im Wahlkampf waren bezahlbares Wohnen, innere Sicherheit und Pflege. Vor allem die CSU und die AfD legten einen Schwerpunkt auf Asyl und Zuwanderung. Die Oppositionsparteien thematisierten zudem regelmäßig den umstrittenen Erlass Söders, im Eingangsbereich aller Behörden Kreuze aufhängen zu lassen.

Söder hatte das Amt des Ministerpräsidenten erst im März von Seehofer übernommen. Vorausgegangen war ein heftiger interner Machtkampf, der sich nach dem schlechten Abschneiden der CSU (38,8 Prozent) bei der Bundestagswahl 2017 verschärfte. Seehofer behielt aber den CSU-Vorsitz und wechselte als Innenminister ins Kabinett Merkel.

Zur Wahl sagte Söder: «Das ist ein schmerzhafter Tag.» Die CSU habe aber den klaren Regierungsauftrag erhalten. «Vom Bundestrend sich völlig abzukoppeln, ist nicht so leicht.» Journalistenfragen nach der Verantwortung von Seehofer wich Söder aus. Dieser sagte im ZDF: «Natürlich habe ich als Parteivorsitzender auch Mitverantwortung für dieses Wahlergebnis.» Über personelle Konsequenzen könne man gerne diskutieren. Für die Niederlage gebe es aber zahlreiche Ursachen – auch in München.

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen sind die Gründe für den Absturz der CSU aber «primär hausgemacht». Diese zeige bei Regierungsbilanz, Parteiansehen und Sachkompetenzen Defizite und habe «ein erhebliches Personalproblem»: «Neben einem schwach bewerteten Ministerpräsidenten steht in Bayern ein massiv kritisierter Parteichef.» Einer ARD-Analyse zufolge verlor die CSU jeweils 180.000 Wähler an Grüne und AfD sowie 170.000 an die Freien Wähler. Diesen Verlust dämpfte der Hinzugewinn von 200.000 bisherigen Nichtwählern.

Auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles machte «die schlechte Performance der großen Koalition hier in Berlin» mitverantwortlich für den Absturz in Bayern. «Es ist uns nicht gelungen, uns von dem Richtungsstreit in der CDU/CSU frei zu machen. Deswegen gab es auch keinen Rückenwind aus Berlin, im Gegenteil. Fest steht, das muss sich ändern.»

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hielt ebenfalls fest, «dass die Streitigkeiten der vergangenen Monate, insbesondere auch der Tonfall und der Stil, kein Rückenwind für die Wahlen in Bayern waren». Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sprach von einem «grandiosen Erfolg» seiner Partei.  

(Text Stand 15. Oktober 2018, 07:50 Uhr)


Christian Andresen und Ulrich Steinkohl, dpa-infocom

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