20.11.2013, 11:30 Uhr
Erst am Dienstag war bekannt geworden, dass Hildebrandt schwer an Krebs erkrankt ist. Er lag nach Angaben von Dieter Hanitzsch auf der Palliativstation.
Die Diagnose Prostatakrebs hatte er erst im Sommer bekommen. Alle Auftritte hatte er daraufhin abgesagt. Nachdem sich sein Zustand vor wenigen Wochen gebessert hatte, durfte er zunächst nach Hause. Dann habe es aber einen schweren Rückschlag gegeben und er sei erneut in die Klinik gekommen.
«Dieter Hildebrandt ist heute Nacht im Kreis seiner Familie gestorben», teilte auch die Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit, deren Mitbegründer Hildebrandt war. «Bis zum Schluss hatte er Pläne, hatte gekämpft und wollte sich im Dezember auf der Bühne der Münchner Lach- und Schießgesellschaft von seinem Publikum verabschieden. Er hätte uns noch so viel zu sagen gehabt. Wir trauern mit seiner Familie um einen wunderbaren Menschen, lieben Freund, Förderer und eine moralische Instanz.»
Hildebrandt wurde im schlesischen Bunzlau geboren und begann nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studium in München, wo er seither lebte. Er entdeckte zunächst die Liebe zur Schauspielerei, doch bei der sogenannten Schauspielergenossenschaftsprüfung fiel er durch. Zusammen mit Sammy Drechsel gründete er nach seinen Intermezzi als Platzanweiser und als Mitglied in einem Studentenkabarett 1956 die Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Er galt als einer der bekanntesten Kabarettisten der Bundesrepublik.
«Es ist ein großer Verlust», sagte sein Freund Hanitzsch, mit dem Hildebrandt das Online-Kabarett-Projekt «Störsender.tv» auf die Beine gestellt hat. «Für uns alle.» Am Mittwoch stand auf der Startseite des Projekts: «Danke, lieber Dieter, für alles.»
Einer seiner letzten Auftritte beim Prix Pantheon 2013:
Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer hat Oberbürgermeister Christian Ude die Nachricht vom Tod Dieter Hildebrandts aufgenommen:
„Noch in diesem Jahr haben wir umjubelte, virtuose Auftritte voller Kraft und Witz erleben und mitfeiern dürfen – da ist es einfach nicht zu fassen, dass er plötzlich nicht mehr da sein soll.
Dieter Hildebrandt hat mit der „Münchner Lach und Schieß“ das politische Kabarett in München heimisch gemacht und mit den „Notizen aus der Provinz“ genauso wie später mit dem „Scheibenwischer“ eine unvergleichliche Präsenz auf dem Bildschirm erlangt – nicht als Entertainer, sondern als unerbittlicher Aufklärer, als kritische Instanz und moralische Institution, als kämpferischer Humanist, der die Welt besser und die Gesellschaft menschlicher machen wollte, der nie dem Mainstream nachgelaufen ist, sondern sich oft mit Mächtigen angelegt und stets Farbe bekannt hat. Noch immer ist mir unvergesslich, wie ich als Schüler an Silvesterabenden am Radio saß, um seine Abrechnung mit Fehlentwicklungen im ablaufenden Jahr zu hören – das war nicht nur witzig, lustig, schlagfertig, voller Spontanität und Improvisationstalent, nein, das war unendlich viel mehr, das machte Mut zur Kritik, stiftete an zur Aufsässigkeit, lud ein zur politischen Einmischung, weil es nach einer solchen Lektion einfach undenkbar war, als Untertan oder „Ohnemichel“ alle Missstände, die er angeprangert hatte, einfach hinzunehmen.
Dieter Hildebrandt war von seinen ersten Auftritten in den 50er Jahren bis zu den letzten in diesem Jahr nicht nur der Größte seines Fachs, sondern ein Glücksfall für die deutsche Demokratie, der es ohne ihn an Oppositionsgeist, Kritikvermögen und Bereitschaft zum Engagement gemangelt hätte.
Seinen jugendlichen Wechsel vom Laienspielseminar zum Kabarett hat er damit begründet, dass er für Liebhaberrollen nicht schön genug und fürs Charakterfach nicht gut genug gewesen sei. Trotzdem wird er uns in etlichen Rollen, vor allem als schmieriger Fotograf Herbie in Helmut Dietls Kir Royal, stets gegenwärtig bleiben.
1997 durfte ich ihm als bedeutenden „Freund Münchens“ die Medaille „München leuchtet“ überreichen, nachdem er dies zuvor unter Hinweis auf fehlendes Alter zurückgewiesen hatte. 2011 bekam er den Kulturellen Ehrenpreis, die höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt.
Persönlich habe ich Dieter Hildebrandt für eine Freundschaft zu danken, in der er kein kritisches Wort unterdrückte, aber stets und auch noch mit 86 Jahren zu aktiver Unterstützung bereit war. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Renate Küster, die ihm seinen letzten Lebensabschnitt so glücklich gestalten konnte.“
dpa-infocom / uk