In diesem Gastbeitrag schildert die Journalistin Johanna Stöckl, wie sie dem Charme sogenannter Miniskigebiete erlag:
Es passierte vor ein paar Jahren am Weissensee. Eigentlich war ich für eine Eislaufreportage nach Kärnten gereist. Dann setzte unerwartet heftiger Schneefall ein. Leidenschaftliche Skifahrer werden mich verstehen: Auf Leihski stand ich einen Tag später auf der Piste. In einem Skigebiet, das inklusive Babylift gerade einmal aus vier Liften besteht.
Miniskigebiete wie das am Weissensee hatte ich bis dahin überhaupt nicht auf dem Schirm. Ich fuhr ausschließlich in renommierte Gebiete, die sich über Superlative definieren. Unvergessen mein Skiurlaub im französischen Tignes. Bei Traumbedingungen ging ich eine Woche lang ans Limit. Nach der kraftraubenden Skireise war ich urlaubsreif. Ähnlich erging es mir in den kanadischen Rocky Mountains. In Whistler und auf einer Skisafari durch Alberta, auf der ich mehrere Skigebiete wie Lake Louise, Jasper, Sunshine Village und Banff miteinander kombinierte, klingelte der Wecker täglich spätestens um 6.30 Uhr. Vor zwei Jahren war ich im größten Skigebiet der USA fünf Tage damit beschäftigt, alle Abfahrten in Vail zu testen.
Investiert man in Skireisen bzw. Liftkarten viel Geld , muss man – so ticke ich – die Kosten über viele, möglichst anspruchsvolle Abfahrten, zurückgelegte Pisten- oder Höhenkilometer rechtfertigen. Nicht selten artete das bei mir in Skistress aus. Erholsam war das nicht.
Mein Skitag am Weissensee hingegen schon. Dort hatte beim Skifahren einfach Zeit, beweisen musste ich mir schließlich nichts. Die Einkehr in der urigen Naggleralm dauerte etwas länger und endete in einem Liegestuhl auf der Sonnenterrasse.
Seither bin ich auf der Suche nach solchen Gebieten und verbringe ganz bewusst den einen oder anderen Skitag dort. Als Kontrapunkt zum Pistenkilometer-Wahnsinn quasi. Kindheitserinnerungen schwingen natürlich auch mit, wenn man abseits großer Skischaukeln in winzig kleinen Skigebieten dem Wintersport nachgeht. Dort, wo anstelle eines Drehkreuzes noch der Liftmann die Karte abzwickt (ja, es gibt sie noch, die guten alten Punktekarten!), wo man im elendlangen Schlepper Zeit für ein richtiges Gespräch findet, macht das Skifahren nämlich auch Spaß. Viele dieser Mikro-Skigebiete kämpfen Jahr für Jahr um’s Überleben. Dabei sind es doch gerade diese kleinen Lifte, auf denen der Nachwuchs erste Erfahrungen auf zwei Brettern sammelt.
Für die tz München hatte ich vor ein paar Wochen ein paar bayerische Microskigebiete zusammengetragen, die von München aus gut zu erreichen sind.
Mikroskigebiete halten sich erfreulicher Weise sogar in namhaften Skidestinationen wie dem österreichischen Ötztal. Wer etwa ins Bergsteigerdorf Vent zum Skifahren fährt, kriegt vom Rummel Söldens wenig mit. Ein Doppelsessellift und drei kurze Schlepplifte erschließen im hintersten Ötztal ein schneesichereres, sehr feines Skigebiet jenseits der 2000 Meter Grenze. Warteschlangen an den Liften oder überfüllte Pisten gibt es hier garantiert nicht. Dafür erwarten einen ein köstlicher Topfenschmarrn im Panoramarestaurant Stablein ein sagenhaftes Panorama auf die umliegenden Dreitausender.
Kommenden Montag fahre ich jedenfalls zum Skifahren an die Kampenwand. Alleine wegen der Retro-Gondelbahn (das Aufmacherfoto dieses Beitrags), die einen ins Skigebiet bringt, wird sich dieser Ausflug lohnen. Was mich im kleinen Skigebiet von Aschau sonst erwartet? Vier Lifte und fünf Hütten. Das nenne ich Genuss!
Johanna Stöckl ist in den österreichischen Bergen und somit auf zwei Brettern aufgewachsen. Beruflich verschlug es die 50-Jährige nach München, wo sie als Journalistin tätig ist und regelmäßig über Sport, Outdoor- und Reisethemen in diversen Tageszeitungen und Magazinen berichtet. Jeden Donnerstag erscheint in der tz München ihre Sonderseite „draußen“, für Spiegel Online ist sie aktuell als Pistenbloggerin unterwegs.