Wenn eine Bäckerei auch ein Café betreibt, darf sie den ganzen Sonntag über unbelegte Semmeln verkaufen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München am Donnerstag entschieden. Das Gericht wies eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen eine Bäckereikette mit Filialen in München in zweiter Instanz ab (Az: 6 U 2188/18). Die Zentrale hatte versucht, der Bäckerei den Verkauf von Backwaren für mehr als drei Stunden an Sonn- und Feiertagen zu verbieten und auf Unterlassung geklagt.
Der Vorwurf: illegaler Backwarenverkauf in mehreren Fällen. Testkäufer wohl von der Konkurrenz angeheuert, hatten unter anderem an einem Sonntag im Februar 2016 um 11.12 Uhr Stangenbrot, Römer-Semmeln und Vollkornsemmeln gekauft und um 15.46 Uhr noch einmal.
Das ist ein Problem, weil laut Ladenschlussgesetz des Bundes, das in Bayern gilt, weil der Freistaat kein eigenes Landesgesetz hat, dürfen Bäckereien an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden lang Semmeln und Brezen verkaufen. Betreiben sie aber zusätzlich ein Café, fallen sie unter das Gaststättengesetz und dürfen «zubereitete Speisen» für den baldigen Verzehr auch länger verkaufen.
Das Gericht entschied nun mit dem Urteil vom Donnerstag, dass eine Semmel eine zubereitete Speise ist, auch wenn keine Scheibe Käse darauf liegt. Denn bei den Backwaren handle es sich um «verzehrfertige Nahrungsmittel, deren Rohstoffe durch den Backvorgang zum Genuss verändert worden» seien.
Es entspreche «der Lebenserfahrung, dass die Gäste eines Cafés mit angeschlossener Bäckerei dort auch unbelegte Brötchen und/oder Brot und sonstige Backwaren bestellen können, etwa im Rahmen eines Frühstücks», hieß es in der Urteilsbegründung. Man könne davon ausgehen, dass die Semmeln für den «alsbaldigen Verzehr» bestimmt seien, so lange es sich nicht um große Mengen handle.
Damit folgte das Gericht der Argumentation der Bäckereikette und ihrer Anwältin Elke Fürnrieder. Sie selbst, laktose- und fruktoseintolerant, bestelle sich durchaus eine nackte Breze, wenn sie mit Kollegen essen gehe. «Es kann mir die Klägerin ja nicht vorschreiben, dass ich eine Torte essen muss», hatte sie in der mündlichen Verhandlung im Dezember gesagt. «Das sollte sie schon dem Konsumenten überlassen, was er als Speise konsumieren möchte.»
Mit dem Urteil bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts München II (Az: 12 O 4218/17), doch damit ist der Streit womöglich noch nicht beigelegt. Wegen der grundsätzlichen und bundesweiten Bedeutung der Frage ließ das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu. Denn über die Auslegung der maßgeblichen Vorschrift im Gaststättengesetz, also über die Frage, ob eine Semmel eine zubereitete Speise ist, sei bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Und diese Frage könne sich auch in weiteren Fällen überall in Deutschland stellen.
Die Wettbewerbszentrale hatte sich ursprünglich zum Ziel gesetzt, die Sache in Karlsruhe grundlegend und ein für alle Mal klären zu lassen. «Wir werden uns die Urteilsgründe jetzt sehr genau anschauen und dann entscheiden, ob wir zum BGH gehen», sagte Sprecher Ottofülling nach Verkündung des OLG-Urteils. Ansetzen könnte man seiner Ansicht nach bei der Definition der «größeren Menge». Bei den Testkäufen, die der Klage zugrunde lagen, wurden aus seiner Sicht nämlich durchaus «größere Mengen» gekauft. In einem Fall waren es acht Semmeln, eine Breze und ein kleines Brot.