Nach einer Bestandsaufnahme der Ministerien weisen mehr als zwei Drittel der für die Bürger zugänglichen Bauten des Freistaats «Defizite» in Sachen Barrierefreiheit auf. Diese Zahlen des Sozialministeriums zitierte der CSU-Landtagsabgeordnete Hans Reichhart am Donnerstag in einer Sitzung des Sozialausschusses in München. «Defizite» bedeutet, dass die Gebäude entweder nicht barrierefrei zugänglich sind oder dass Behindertentoiletten fehlen.
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte in seiner ersten Regierungserklärung nach der Landtagswahl 2013 versprochen, die öffentlichen Gebäude Bayerns sollten bis 2023 barrierefrei werden. Nach Schätzung des Sozialministeriums würde der Umbau der 2300 Behördengebäude gut 91 Millionen Euro kosten. Der Umbau von 460 Gebäuden solle in diesem und im nächsten Jahr weitgehend abgeschlossen werden, berichtete Reichhart. «Wir sind schon ziemlich weit.»
In der Bestandsaufnahme des Sozialministeriums nicht enthalten sind Bahnhöfe, Haltestellen und kommunale Gebäude – der Großteil der öffentlichen Bauten in Bayern. Die Opposition wirft Seehofer deswegen vor, falsche Versprechen abgegeben zu haben. «Bei einem Sonderinvestitionsprogramm geht es nun mal in erster Linie um die Kohle», sagte die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann. «Es fehlt ein detaillierter Aktionsplan als Schrittmacher.»
Dass die CSU-Fraktion die Zahlen zum Sanierungsbedarf bei den Gebäuden des Freistaats in der Sitzung publik machte, überraschte die Opposition. Diese hatte schon vor Monaten nach den Zahlen gefragt, aber bisher keine Antwort erhalten. «Ich stelle fest, dass der Kollege Reichhart offenbar mehr weiß als wir», ärgerte sich die SPD-Sozialpolitikerin Waldmann.
In der Frage Barrierefreiheit sind sich SPD, Grüne und Freie Wähler einig: «Es wird trotz Regierungserklärung des Ministerpräsidenten nicht mit dem notwendigen Dampf angegangen», sagte die Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina. Die Freien Wähler fordern unter anderem höhere Zuschüsse für den Umbau der bayerischen Bahnhöfe. «Der Ministerpräsident hat eine Vorgabe gemacht. Da sollte er sich vorher eine Vorstellung gemacht haben, welche und wie viele Mittel dafür zur Verfügung stehen», kritisierte der FW-Abgeordnete Hans-Jürgen Fahn.